Attraktive Regelung spült Geld in einen innovativen Erneuerbare-Energien-Fonds in Jordanien

Als die arabische Gaspipeline während des Arabischen Frühlings durch Explosionen in Ägypten erstmals beschädigt wurde, musste Jordanien plötzlich auf importiertes Schweröl und Dieselkraftstoff ausweichen. Das trieb die Kosten der Stromerzeugung in die Höhe. Der Großteil der dafür benötigten Energie war nämlich über diese Pipeline bereitgestellt worden. Zunächst kam die Regierung für die Zusatzkosten auf, um einen Aufruhr der Bevölkerung wie in einigen anderen Ländern der Region zu vermeiden.

Derweil riss der Flüchtlingsstrom von Syrien nach Jordanien nicht ab. Bereits vor Jahrzehnten waren Flüchtlinge aus Palästina ins Land gekommen. Die jordanische Regierung hatte in der Folge mit immer mehr sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Nahezu ein Fünftel aller Staatsausgaben entfiel auf Kraftstoffsubventionen. Da kein Ende in Sicht war, beschloss die Regierung, ihre Energiepolitik zu überdenken.

So verabschiedete sie beispielsweise einen innovativen Regulierungsrahmen für den Erneuerbare-Energien-Sektor. Der Erfolg ist schon sichtbar: Viele private Investoren zeigen großes Interesse. Einer dieser Investoren ist der Globale Dachfonds für Energieeffizienz und erneuerbare Energien (GEEREF), dem die Europäische Investitionsbank (EIB) beratend zur Seite steht. Kürzlich investierte er in den Catalyst MENA Clean Energy Fund, der bei der Durchführung von Projekten in Jordanien im Rahmen des neuen Gesetzes eine Pionierstellung einnimmt.

„Jordanien ist eine moderne und offene Volkswirtschaft. Das Land verfügt über einen Regulierungsrahmen, der die Entwicklung von Erneuerbare-Energien-Projekten begünstigt. Deshalb wird Jordanien immer interessanter für private Investoren“, erklärt Mónica Arévalo, Senior Investment Manager des GEEREF. „Durch den kontinuierlichen Anstieg der Energiepreise in Jordanien und die jüngsten Gesetzesänderungen sind Investitionen in die Ökostromerzeugung für den privaten Sektor sehr attraktiv geworden.“

Jordanisches Klimaprojekt nutzt das „Wheeling-System“

Der neue Gesetzesrahmen betrifft Jordaniens Wheeling-Regelung. Was ist unter Wheeling zu verstehen? Wer in Sonnenkollektoren für sein Eigenheim oder sein Unternehmen investiert, kann den Strom, den er damit erzeugt, in der Regel auch ins Stromnetz einspeisen. Dieser wird mit dem Stromverbrauch verrechnet. Wenn Sie Hausbesitzer sind und Ihre Solaranlage mehr Strom erzeugt als Sie benötigen, bleibt unter dem Strich ein Gewinn übrig, sofern Ihr Vertrag mit dem Stromanbieter eine entsprechende Klausel enthält.

Stellen Sie sich nun vor, dass Sie an Ihrem Dach keine Sonnenkollektoren anbringen können. Vielleicht leben Sie in einem Schloss, das unter Denkmalschutz steht. Oder Sie wohnen in einem sehr nebligen Tal oder auch in einer Gegend mit vielen Bergbauarbeitern, die Ökostrom als Verrat ansehen würden. Dann würde es Ihnen die Wheeling-Regelung ermöglichen, die Solaranlage auf dem Dach eines Schuppens in einem sonnigen Teil des Landes zu errichten, den Strom in das Stromnetz einzuspeisen und dennoch mit dem Stromverbrauch in Ihrem Schloss oder in Ihrem nebligen Tal zu verrechnen.

Königliche Genehmigung

„Dies bringt vielen Unternehmen einen enormen Nutzen“, erklärt Ennis Rimawi, Managing Director von Catalyst Investment Management in Jordanien, der Verwaltungsgesellschaft des Catalyst-Fonds. Und er muss es wissen. Im Frühjahr 2016 unterzeichnete er zusammen mit Neoen, einem französischen Projektentwickler im Bereich erneuerbare Energien, einen Vertrag zur Errichtung von bis zu fünf Solarstromanlagen in Jordanien für den Telekommunikationsanbieter Orange. Dieses bedeutende Geschäft wurde mit dem Einverständnis des jordanischen Königs Abdullah II und des französischen Staatspräsidenten François Hollande abgeschlossen. Der Fonds konnte bereits eine zweite Ausschreibung in Jordanien für sich entscheiden. Eine große Hotelgruppe möchte eigene Fotovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 14 Megawatt errichten, allerdings nicht direkt an den Hotels, die den Strom verbrauchen würden, sondern an einem Standort kilometerweit entfernt. Rimawi schätzt, dass Orange mit über 30 Megawatt die größten Anlagen betreiben wird. Jährlich dürften jedoch bis zu hundert weitere Unternehmen eigene Ökostromkraftwerke errichten.

Er erklärt dazu: „Der Vorteil der Wheeling-Regelung liegt darin, dass der Ort der Einspeisung von Solarstrom nicht mehr an den Ort des Stromverbrauchs gebunden ist. Für die Anlage können demnach auch kostengünstigere Standorte gewählt werden. Oder sonnigere Lagen oder flachere Grundstücke. Oder auch Orte, an denen mögliche Umweltauswirkungen leicht vermieden oder gemindert werden können.“

„Das Unternehmen zahlt am Ende nur für die Nutzung des Stromnetzes.“

Internationale Unterstützung für das Klimaschutzprojekt in Jordanien

Neben dem GEEREF beteiligten sich auch die niederländische Entwicklungsbank (FMO), der finnische Fonds für industrielle Zusammenarbeit (Finnfund) und die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) am Catalyst-Fonds. Der Catalyst-Fonds hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum nächsten Jahr ein Gesamtkapital von 100 Millionen US-Dollar einzuwerben. Damit sollen die anfänglichen Kapitalzusagen der Ankerinvestoren verdoppelt werden. Für die nächsten Investitionen wird auch privates Kapital mobilisiert.

Der Beitrag der EIB zur Energiewende in Jordanien beschränkt sich jedoch nicht auf die Beteiligung des GEEREF am Catalyst-Fonds. Im Herbst 2015 stellte die Bank Jordaniens nationalem Energieversorger NEPCO ein Darlehen über 88 Millionen Euro für die Verstärkung seines Stromnetzes bereit. Auf diese Weise können alle Ökostromanlagen, die aufgrund der Wheeling-Regelung wie Pilze aus dem Boden schießen, in das Netz integriert werden. Die EIB unterstützt den Bau von zwei neuen sowie die Sanierung von drei bestehenden Übertragungsleitungen. Deren Standort befindet sich größtenteils im Wüstengebiet Jordaniens. Dort tummeln sich zwar nicht gerade viele potenzielle Kunden, doch die Sonne scheint an 330 Tagen im Jahr. Optimale Voraussetzungen also für die Erzeugung von Solarstrom, der in der Hauptstadt Amman verbraucht werden könnte.

Nicht nur Solaranlagen erleben in Jordanien einen regelrechten Boom. Die Bergregionen des Landes eignen sich für Windparks, an deren Finanzierung die EIB ebenfalls beteiligt ist.

Catalyst weitet seine Aktivitäten auf Nordafrika aus

Der Catalyst-Fonds plant nun, neben Jordanien auch in Erneuerbare-Energien-Projekte in Tunesien, Ägypten und Marokko zu investieren. Die Wheeling-Systeme in diesen Ländern sind unterschiedlich weit fortgeschritten. In anderen Teilen der Region wurde das Wheeling noch gar nicht eingeführt, was möglicherweise an den reichen Ölvorkommen liegt.

„Die Attraktivität des Investments liegt in der Pionierrolle, die es bei der Umsetzung eines innovativen Regulierungsrahmens zur Förderung von Ökostrom spielt. In Jordanien ist das Wheeling nur im Bereich erneuerbare Energien erlaubt“, erklärt Mónica Arévalo vom GEEREF-Fonds. „Hier sind Investoren gefragt, die den Mut haben, die Gelegenheit am Schopfe zu packen und die Rolle eines Marktentwicklers zu übernehmen. Und es werden Manager wie Ennis Rimawi und sein Team benötigt. Sie verfügen über die geeignete Kompetenz und Erfahrung und haben sich zudem ökologischen und sozialen Best Practices verpflichtet – beste Voraussetzungen für den Erfolg.“

„Wir gehen zusammen mit unseren Partnern davon aus, dass wir mit unserer Investition in den Catalyst-Fonds unser dreifaches Ziel – Menschen zu unterstützen, die Umwelt zu schützen und Gewinne zu erwirtschaften – erreichen werden.“

Der GEEREF wurde 2008 errichtet, mit Mitteln in Höhe von 112 Millionen Euro von der EU, Deutschland und Norwegen. Darüber hinaus mobilisierte der Fonds 110 Millionen Euro von privaten Investoren und der EIB. Der Schwerpunkt des Dachfonds liegt in der Entwicklung von Erneuerbare-Energien- und Energieeffizienz-Vorhaben in Schwellenländern. Bis heute hat sich der GEEREF an elf Fonds beteiligt, die wiederum in mehr als 65 kleine und mittelgroße Erneuerbare-Energien- und Energieeffizienz-Projekte in Entwicklungsländern investiert haben.

Jedes einzelne dieser Projekte hat eine große Wirkung. Die Solaranlagen von Orange in Jordanien dürften jährlich zu einer Senkung der CO2-Emissionen um 40 000 Tonnen beitragen. Berechnungen der US-Umweltbehörde Environment Protection Agency zufolge müssten jährlich eine Million Bäume gepflanzt werden, um diese CO2-Menge zu binden. Versuchen Sie mal, Bäume in der jordanischen Wüste zu pflanzen – da ist die Wheeling-Lösung sicher effektiver!