Die Investitionsschwerpunkte Polens in der Coronapandemie parallel zur Digitalisierung und zum Kampf gegen den Klimawandel – dies war das zentrale Thema auf einer heute abgehaltenen Expertenkonferenz. Teilnehmer waren neben dem stellvertretenden polnischen Ministerpräsidenten und Minister für Wirtschaftsentwicklung, Arbeit und Technologie, Jarosław Gowin, und EIB-Vizepräsidentin Teresa Czerwińska führende Vertreterinnen und Vertreter aus der Geschäftswelt und von Finanzinstituten und Unternehmen.

Auf der Konferenz wurden die Ergebnisse der fünften Investitionsumfrage der EIB für Polen vorgestellt (auf Englisch verfügbar unter https://www.eib.org/en/publications/econ-eibis-2020-poland). Mit dieser Umfrage erhebt die EIB jedes Jahr qualitative und quantitative Informationen über die Investitionstätigkeit, die Finanzierungserfordernisse und die Probleme kleiner und großer Unternehmen.

Die Zukunft der polnischen Wirtschaft

„Investitionen sind die Voraussetzung für die Innovationsfähigkeit und die Zukunft der polnischen Wirtschaft. Die Länder, die die Pandemiekrise heute für grundlegende Veränderungen und Reformen nutzen, sind die Gewinner von morgen“, erklärte Jarosław Gowin, stellvertretender polnischer Ministerpräsident und Minister für Wirtschaftsentwicklung, Arbeit und Technologie, auf der heutigen Pressekonferenz.

Die Unterstützung für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen muss sich darauf konzentrieren, Ressourcen für Investitionen bereitzustellen und die betrieblichen Kapazitäten zu verbessern. Auch der Zugang zu entsprechendem Know-how muss sichergestellt werden – gerade angesichts des raschen technologischen Wandels. Es müssen Instrumente entwickelt werden, damit Unternehmen leichter in fremde Märkte expandieren, mit anderen Unternehmen fusionieren und neue Technologien übernehmen können, vor allem im Bereich der Produktionsautomatisierung. Gleichzeitig muss der Staat die Forschung an neuen, fortschrittlichen Produkten mitfinanzieren, er muss den Zugang zu Finanzierungen erleichtern, für öffentliche Nachfrage nach Produkten sorgen und sich auf EU-Ebene für eine günstige Regulierung einsetzen.

Andererseits sind es vor allem Großunternehmen, die für technische Durchbrüche sorgen können. Sie haben für die Planung, Umsetzung und Herstellung von Produkten die nötige Größe, um international wettbewerbsfähig zu sein. Eine der Prioritäten Polens ist daher die neue Industriepolitik, die in enger Absprache mit Unternehmerkreisen und Fachleuten entwickelt wird. Dabei werden horizontale Maßnahmen auf Basis von fünf Kernthemen (Digitalisierung, ein grüner New Deal, Sicherheit, Lokalisierung der Produktion und eine moderne Gesellschaft) durch sektorale Maßnahmen ergänzt, die gemeinsam mit der Wirtschaft erarbeitet werden.

Das Nebeneinander von großen Staatsunternehmen und dem privaten KMU-Sektor zeigt, wie das Zielmodell für die polnische Wirtschaft aussehen soll. Im Zentrum dieses Modells steht ein Netz aus mittleren und großen Privatunternehmen, die mit staatlicher Unterstützung weltweit agieren. Ergänzend hinzu kommt ein sorgfältig geplantes Ökosystem für Start-ups in fortschrittlichen Wirtschaftssektoren.

EIB-Vizepräsidentin Teresa Czerwińska: „Die Pandemiekrise hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, bei der Wirtschaftsentwicklung neue Wege zu gehen und auf eine digitale und grüne Zukunft zu setzen. Investitionen in neue Technologien werden immer wichtiger. Umso mehr freut es uns, dass polnische Unternehmerinnen und Unternehmer dieses Potenzial erkennen und zunehmend digitale Lösungen einführen – die Hälfte der polnischen Unternehmen hat dies bereits getan. Wir dürfen also optimistisch sein, aber Optimismus allein reicht nicht. Das Wirtschaftsmodell vor Corona hat im Wesentlichen ausgedient. Um erfolgreich aus der Krise zu kommen, brauchen wir einen strategischen Ansatz. Und dieser Ansatz muss ein konkretes Investitionsprogramm umfassen, das sich auf die beiden tragenden Säulen des neuen Wirtschaftsmodells stützt: die Umstellung auf eine grüne und digitale Wirtschaft. Dies ist eine der Prioritäten der EIB, und deshalb fließen 40 Prozent unserer Finanzierungen in Polen in grüne Projekte. So unterstützen wir das Land bei seinem nächsten Schritt in Richtung Energiewende. Weltweit will die EIB-Gruppe bis 2050 eine Billion Euro für Investitionen in eine CO2-arme Wirtschaft mobilisieren.“

Die Ergebnisse der EIB-Umfrage in Polen

Die Investitionsumfrage der EIB zeigt, dass die polnischen Unternehmen trotz der Pandemie und der Zukunftssorgen nicht vor Innovationen zurückscheuen: 46 Prozent haben im vergangenen Jahr neue Dienstleistungen, Prozesse und Produkte eingeführt (EU-Durchschnitt: 42 Prozent), und 20 Prozent geben an, Innovationen auf nationaler oder gar internationaler Ebene getätigt zu haben (EU-Durchschnitt: 15 Prozent).

Bei der Umfrage ging es auch darum, wie Unternehmen den Klimawandel sehen und ihn bekämpfen. Die polnischen Unternehmen sind sich dieses Problems bewusst: 60 Prozent geben Beeinträchtigungen ihres Geschäfts durch den Klimawandel an (EU-Durchschnitt: 58 Prozent) und investieren in Maßnahmen gegen die Auswirkungen von Wetterereignissen und zur Minderung des CO2-Ausstoßes oder planen dies. Dieser Anteil ist allerdings geringer als in der Gesamt-EU (67 Prozent). Auch bei der Verbesserung der Energieeffizienz hinken die polnischen Unternehmen hinterher. Nur 39 Prozent gaben an, in diese Art von Maßnahmen zu investieren. EU-weit sind es 47 Prozent.

EIB-Chefökonomin Debora Revoltella: „Wie in der gesamten Europäischen Union leiden auch in Polen die Investitionen unter der Coronakrise, und der Ausblick bleibt ungewiss. Allerdings ist der Druck, strategisch zu investieren, jetzt größer. Laut unserer Umfrage unter europäischen Unternehmen ist die Digitalisierung eine der wichtigsten Antworten auf Covid-19. Und obwohl Europa in diesem Punkt hinter den USA zurückbleibt, ist es bei der Kombination aus grünem und digitalem Wandel führend, was umso mehr für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung spricht. Polen steht in dieser Hinsicht gut da. Auch wenn die kurzfristigen Auswirkungen der Coronakrise Anlass zur Sorge geben, sind die Unternehmen bei ihren Investitionsaussichten weniger pessimistisch als im EU-Durchschnitt. Das zeigt, dass sie bereit sind, zu reagieren – um Investitionen anzustoßen, die Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen und wettbewerbsfähiger zu werden.“

Diskussionsrunde

Im Rahmen der Konferenz fand auch eine Podiumsdiskussion statt. Dabei ging es darum, welche staatliche Unterstützung Unternehmen für Investitionen im In- und Ausland benötigen. An der Diskussion nahmen teil: Mikołaj Budzanowski, Vorstandsmitglied von Boryszew S.A., Piotr Garstecki, Vorstandsvorsitzender von Scope Fluidics, Paweł Przewięźlikowski, Vorstandsvorsitzender von Ryvu Therapeutics, Edyta Stanek, stellvertretende Vorstandsvorsitzende von ML System, und Paweł Wieczyński, Vorstandsvorsitzender von DataWalk S.A. Moderiert wurde die Diskussion vom Vorstandsvorsitzenden der Warschauer Börse, Marek Dietl.

Marek Dietl: „Die polnischen Unternehmerinnen und Unternehmer haben das Land vor einer schweren Rezession bewahrt. Besonders beeindruckend war, dass sie ausländische Märkte erobern konnten und dass das Wachstum der Industrieproduktion schnell auf sein Vorkrisenniveau zurückgekehrt ist. Am Ende der Pandemie sollten wir darauf hinarbeiten, die Investitionsbedingungen noch weiter zu verbessern. Unsere wirtschaftliche Stellung in der Zeit nach Corona wird davon abhängen, wie viel wir in den nächsten drei Jahren investieren.“