>@Shutterstock
© Shutterstock
  • Umfassende Unterstützung während der Pandemie hat zur Vermeidung einer Pleitewelle im Westbalkan beigetragen – nur drei Prozent der Unternehmen haben Insolvenz angemeldet oder ganz aufgegeben
  • Handel mit entwickelten Volkswirtschaften, Know-how durch Einbindung in globale Wertschöpfungsketten und Zugang zu ausländischen Technologien haben Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in der Region gestärkt
  • Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft birgt erhebliche Risiken für den Westbalkan; Unternehmen fehlen Anreize für grüne Geschäftsmodelle
  • Mangelnder Zugang zu Finanzierungen hemmt weiterhin KMU-Wachstum in der Region; vor allem jungen, innovativen Unternehmen und Start-ups fehlt Kredithistorie; zudem verfügen sie hauptsächlich über immaterielle Vermögenswerte, die selten als Sicherheiten akzeptiert werden

Die russische Invasion der Ukraine mitsamt ihren wirtschaftlichen Folgen fällt in eine Zeit, in der sich Unternehmen im Westbalkan gerade von der Coronapandemie erholen. Vor diesem Hintergrund fand heute im Strategieausschuss für den Investitionsrahmen für den westlichen Balkan in Rom eine Präsentation zur Resilienz von Unternehmen im Westbalkan in Zeiten wiederholter Schocks statt. Darin erläuterte EIB-Chefökonomin Debora Revoltella, wie Unternehmen in der Region den massiven Abschwung infolge der Pandemie bewältigt haben und inwieweit sie für künftige Herausforderungen gewappnet sind. Bei ihrer Präsentation stützte sie sich auf den Bericht „Business Resilience in the Pandemic and Beyond“, der kürzlich gemeinsam von der EIB, der EBWE und dem IWF erstellt und veröffentlicht wurde und Osteuropa und Zentralasien abdeckt.

Zum vollständigen Bericht.

Zur Online-Zusammenfassung.

„Der Ukraine-Krieg testet erneut, wie resilient die Volkswirtschaften im Westbalkan sind, die sich gerade von der Pandemie erholen“, erklärte Revoltella. „Neue Risiken und eine erhöhte Unsicherheit setzen grenzüberschreitende Ströme und den internationalen Handel unter Druck. Das hat Folgen. Wie aus unserer Analyse hervorgeht, hängt die Resilienz und Innovationsfähigkeit von Unternehmen von ihrer Beteiligung an weltweiten Wertschöpfungsketten und dem globalen Handel ab. In dieser Phase potenzieller Deglobalisierungstrends sollte der Westbalkan auf dem Wettbewerbsvorteil aufbauen, den er durch seine engen Beziehungen zur EU hat. Und die Länder sollten diesen Vorteil als Sprungbrett nutzen, um ihre Entwicklung noch schneller voranzutreiben.“

Auswirkungen von Covid-19 auf den Westbalkan

Die Unternehmen sind bisher besser durch die Pandemie gekommen als zunächst befürchtet. Sie büßten zwar 29 Prozent ihrer Umsätze ein und entließen neun Prozent ihrer Arbeitskräfte, wobei kontaktintensive Dienstleistungen und kleinere und mittlere Unternehmen von der Pandemie besonders hart getroffen waren. Eine Pleitewelle konnte jedoch mit massiver politischer Unterstützung abgewendet werden: Nur drei Prozent der Unternehmen in der Region meldeten Insolvenz an oder gaben ganz auf.

Unternehmen, die in globale Wertschöpfungsketten eingebunden sind, in der Vergangenheit innovativer waren, einen höheren Digitalisierungsgrad und ein besseres Qualitätsmanagement aufweisen, zeigten sich dem Bericht zufolge in der Pandemie anpassungsfähiger. Sie bauten ihre Internetpräsenz aus, stellten auf Telearbeit um, passten die Produktion an oder nutzten öffentliche Coronahilfen effektiver.

Staatliche Programme entlasteten und stabilisierten anfällige Akteure wie kleine Betriebe, eigenständige Firmen und Unternehmen ohne Kontokorrentlinien.

Öffnung für Handel im Westbalkan fördert Resilienz, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit

Anteil innovativer Unternehmen, nach Handelsprofil

>@EIB

Quelle: Berechnung der EIB basierend auf der Unternehmensumfrage von EIB, EBWE und Weltbank aus dem Jahr 2019

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Volkswirtschaften des Westbalkans im Allgemeinen stärker in Innovation investieren als Benchmark-Länder; dabei übernehmen sie allerdings hauptsächlich andernorts entwickelte neue Technologien. Die Öffnung für die Weltwirtschaft hat maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Länder ihre komparativen Vorteile ausbauen und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern konnten. Stärker in globale Wertschöpfungsketten integrierte Regionen sind von ihrer Industriestruktur her auf Produkte mit höherem Mehrwert ausgerichtet. Weniger integrierte Regionen handeln dagegen hauptsächlich mit Produkten mit geringerer Wertschöpfung oder mit Rohstoffen.

Der Bericht zeigt: Handelsverflechtungen mit entwickelten Volkswirtschaften, vor allem mit der EU, der Zugang zu Informationen und Know-how durch die Einbindung in weltweite Wertschöpfungsketten, lizenzierte ausländische Technologien und moderne Führungsmethoden zählen zu den wichtigsten Innovationstreibern im Westbalkan.

Finanzierungslücken

Die Finanzsysteme des westlichen Balkans haben sich bisher gut behauptet. Bankkredite sind für Unternehmen weiterhin die wichtigste externe Finanzierungsquelle. Die Kapitalmärkte sind unterentwickelt, und Risikokapital, Private Equity und Leasing stehen nur sehr begrenzt zur Verfügung. Im Westbalkan ist der Anteil der kreditbeschränkten Firmen bei kleinen Unternehmen deutlich höher als bei großen (16 Prozent bzw. 7 Prozent). Grund für diese Kreditnot sind die unzureichende Transparenz von KMU und die begrenzte Kompetenz der Intermediäre, Risiken zu bewerten. Die Folgen der Coronapandemie und der russischen Invasion in die Ukraine dürften den Zugang von Unternehmen zu Finanzierungen auch künftig behindern. Infolge der steigenden Leitzinsen werden sich die Finanzierungsbedingungen nach und nach verschärfen und die Lücke zwischen Kreditangebot und ‑nachfrage für KMU noch vergrößern. Das ist besorgniserregend, denn Finanzierungen und Überziehungskredite haben den Unternehmen durch die Pandemie geholfen.

>@EIB

Quelle: Berechnung der EIB basierend auf der Unternehmensumfrage von EIB, EBWE und Weltbank aus dem Jahr 2019; „klein“ bezeichnet Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten, „mittel“ Unternehmen mit 20 bis 99 Beschäftigten und „groß“ Unternehmen mit 100 oder mehr Beschäftigten

Grüne Wirtschaft

Die Region, die bisher stark auf Kohle und Öl angewiesen war, steigt langsam auf Kernkraft und erneuerbare Energien um und erhöht auf diese Weise ihre Energiesicherheit. Allerdings erzeugte die Region noch im Jahr 2018 drei Viertel ihres Stroms mit fossilen Brennstoffen. Mehrere Länder gewähren weiterhin großzügige Subventionen, die den Preis von Gas und anderen fossilen Brennstoffen für Verbraucher verringern. Das dämpft die Motivation, Emissionen zu senken.

KMU im Westbalkan haben meist keinen Anreiz, auf grüne Geschäftsmodelle umzustellen. Dabei bekommen sie das physische Klimarisiko bereits zu spüren. Zehn Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, in den drei Jahren vor der Befragung Verluste infolge extremer Wetterereignisse erlitten zu haben. Aus der Studie geht jedoch auch hervor, dass KMU nur begrenzt für Umweltaspekte sensibilisiert sind. Lediglich 21 Prozent investieren in Energieeffizienz. Und unter den KMU, die überhaupt keine Klimamaßnahmen umsetzen, geben 59 Prozent an, solche Investitionen hätten für sie keinen Vorrang. Vor allem zeigt der Bericht, dass Klimainvestitionen sowohl von den Managementkompetenzen als auch vom Zugang zu Finanzierungen abhängen. Folglich geht es sowohl um den Abbau von Finanzierungsengpässen als auch um den Kompetenzaufbau und die Sensibilisierung des Managements.

Der Bericht

Der Bericht „Business resilience in the pandemic and beyond – Adaptation, innovation, financing and climate action from Eastern Europe to Central Asia“ ist eine gemeinsame Veröffentlichung der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) mit Beiträgen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die darin enthaltenen Daten wurden vor der bewaffneten Invasion Russlands in die Ukraine erhoben und analysiert.

Der in dieser Art einzigartige Bericht stützt sich auf Daten aus der jüngsten Unternehmensumfrage von EBWE, EIB und Weltbankgruppe (Enterprise Survey 2019), in deren Rahmen zwischen 2018 und 2020 Daten von mehr als 28 000 eingetragenen Unternehmen erfasst wurden. Die Umfrage wurde kurz vor Ausbruch der Coronapandemie durchgeführt und liefert einen strukturellen Überblick über die Unternehmen in der Region. Zusätzlich nutzt der Bericht die erste Runde der Covid-19-Folgeerhebungen, bei der mehr als 16 000 Unternehmen befragt wurden. Anhand dieser Folgeerhebung hat die Weltbank untersucht, wie sich Unternehmen in der Krise angepasst haben.