Keynote Speech: Eila Kreivi, Chief Sustainable Finance Advisor der EIB


Es gilt das gesprochene Wort


 

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Meine Damen und Herren,

ich freue mich sehr, beim diesjährigen Karlspreis-Europa-Forum über das Thema Energiesicherheit sprechen zu dürfen. Es ist aktuell eines der drängendsten Probleme in Europa.

Die Konferenz fällt in eine Zeit großer Unsicherheit, immensen menschlichen Leids und tiefer Sorge.

Die brutale Invasion Russlands in die Ukraine hat Europa in die größte Sicherheits- und Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt.

Wir alle bei der EIB sind schockiert über die unsäglichen Gräueltaten, den Tod und die Zerstörung, die Putin und seine Soldaten über das ukrainische Volk gebracht haben.

Auch im benachbarten Belarus verdienen die Menschen, die ihr Leben und ihre Freiheit für die Verteidigung der Demokratie riskieren, unsere Dankbarkeit und unsere tiefe Wertschätzung. Umso mehr freue ich mich, dass der Karlspreis in diesem Jahr mit den belarussischen Oppositionsführerinnen drei außergewöhnliche Frauen würdigt:  

Swetlana Tichanowskaja, Oppositionskandidatin bei den Wahlen von 2020 in Belarus. Veronica Tsepkalo und Maria Kalesnikava, die ihre Kandidatur gegen Diktator Alexander Lukaschenko unterstützten. Den Preis für Maria Kalesnikava, die derzeit in Belarus inhaftiert ist, wird ihre Schwester Tatsiana Khomich entgegennehmen.

Hier in Europa hat der Krieg gezeigt, dass wir dringender denn je unsere Souveränität und Autonomie schützen müssen.

Die Tragödie des Krieges birgt aber auch eine große Chance: Mutige Investitionen, die uns aus der Abhängigkeit von russischer fossiler Energie befreien, helfen uns auch bei der Lösung eines der größten Probleme für die Menschheit, den Klimawandel.

Was bedeutet das? Vor allem heißt es: Aufbau einer grünen Energieinfrastruktur für Solar- und Windenergie, Stromnetze, Speicher und LNG-Terminals, die später auch für grünen Wasserstoff genutzt werden können.

Dies ist eine Aufgabe für die gesamte Europäische Union. Deshalb müssen wir gemeinsam handeln. Eine geeinte EU hat eine größere Einkaufsmacht gegenüber den Lieferanten. Auch von einer stärkeren Vernetzung ihrer Stromnetze würden alle EU-Länder profitieren. Dann könnten sie zum Beispiel bei Flauten in einzelnen Regionen Windstrom importieren. Einen weiteren Vorteil einer solchen Konnektivität haben wir erst vor zehn Tagen gesehen: Als Russland die Stromlieferungen an Finnland stoppte, sprangen Estland und Schweden ein.

Wir müssen auch massiv in die Energieeffizienz investieren. Dazu sollten wir Subventionsprogramme mit Krediten von Entwicklungsbanken kombinieren.

Das schiere Ausmaß der Investitionen übersteigt jedoch bei Weitem das, was die öffentliche Hand bereitstellen kann und sollte.

Deshalb fällt dem Privatsektor und den Kapitalmärkten eine Schlüsselrolle zu. Hier kann die EIB helfen. 

Als Bank der EU bietet die EIB bezahlbare Finanzierungen mit langen Laufzeiten. Das ist möglich, weil wir an den Finanzmärkten günstiger als Geschäftsbanken Geld aufnehmen können.

Eine weitere Stärke der EIB ist: Bei uns arbeiten nicht nur Bankfachleute, sondern auch Ingenieurinnen und Biologen. Sie beurteilen kompetent, welche Projekte und Technologien auch ökologisch sinnvoll sind. Und wenn wir dann ein Projekt finanzieren, trauen sich meist auch andere mitzumachen.

Ein gutes Beispiel ist die Entwicklung schwimmender Windparks.

Die Idee: Windturbinen auf schwimmende Ölplattformen zu setzen, die verankert werden. Der Vorteil: Schwimmende Anlagen liefern selbst in Ländern mit Steilküsten Windstrom und eignen sich als Grundlastkraftwerke. Dagegen können ältere Offshore-Windturbinen nicht in extrem tiefem Wasser gebaut werden.

Unser erstes Projekt dieser Art war ein Windpark vor der Küste Portugals. Zwei weitere sind vor Schottland installiert, und Frankreich und Spanien planen vergleichbare Projekte. Das Potenzial ist enorm: Man schätzt, dass diese Technologie – sobald sie im industriellen Maßstab eingesetzt wird – erheblich mehr Strom liefern kann, als heute weltweit verbraucht wird.

Auch ein Blick auf die Kapitalmärkte zeigt, dass sich viel in die richtige Richtung bewegt.

Als die EIB 2007 die ersten grünen Anleihen begab, waren wir Pioniere. Einige Leute hielten uns damals für verrückt!

Und jetzt? Allein im Jahr 2021 wurden grüne Anleihen von über 600 Milliarden Euro neu aufgelegt. Das Volumen von Sozialanleihen schnellte auf rund 210 Milliarden Euro hoch. Und Nachhaltigkeitsanleihen, die sowohl für Umwelt- als auch für Sozialprojekte verwendet werden, brachten rund 190 Milliarden Euro neu ein.  Das zeigt: Für die notwendigen Investitionen lässt sich viel Geld an den Kapitalmärkten loseisen.

Meine Damen und Herren,

Gemeinsam können wir in Europa viel tun, um unabhängig von russischem Öl und Gas zu werden und den Klimawandel zu bremsen. Ich freue mich jetzt auf die Diskussion mit Ihnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!