Rede von EIB-Präsident Werner Hoyer auf der Veranstaltung „Forsaken Futures“ von Project Syndicate am 14. September 2022.


Es gilt das gesprochene Wort


Meine Damen und Herren,

wir kommen heute hier in einer schwierigen Zeit zusammen.

Russland hält die Welt als Geisel, indem es Energie und Nahrungsmittel als Waffen einsetzt. Während russische Truppen in der Ukraine kämpfen, richtet sich Russlands Feindseligkeit eindeutig gegen die gesamte Weltgemeinschaft. Unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen hat uns anfällig für die Launen von Autokraten gemacht. Wenn die Beziehungen zwischen unseren offenen Gesellschaften und diesen bösartigen Mächten in eine Krise geraten, explodieren die Energiekosten. Das war 1973, 1979 und 1990 so, und so ist es auch heute wieder.

Durch Verbrennung dieser fossilen Energieträger heizen wir unseren Planeten auf gefährliche Weise auf. Die dramatischen Folgen sind bereits jetzt spürbar. Pakistan erlebt die schlimmsten Überschwemmungen seiner Geschichte. Europa, China und der Westen der USA leiden unter schweren, anhaltenden Dürren, die zu Ernteausfällen und Hungerkrisen führen. Wie die gewaltsamen Konflikte mit autoritären Staaten verursacht auch der Klimawandel menschliches Leid und kostet Menschenleben.

Wenn wir eine Zukunft haben wollen, müssen wir uns der Realität stellen. Ganz lässt sich der Klimawandel nicht mehr aufhalten. Aber wir müssen verhindern, dass er außer Kontrolle gerät, und uns an seine unabwendbaren Folgen anpassen. Gleichzeitig müssen wir unsere Abhängigkeit von Autokraten und Diktatoren verringern. Drei Maßnahmen sind dabei entscheidend.

Erstens müssen wir Investoren, Unternehmen und Haushalten die richtigen Anreize geben, damit sie ihr Geld in kohlenstoffarme Projekte investieren. Investitionen in Energieeffizienz, erneuerbare Energien und grüne Innovationen müssen absolute Priorität haben.

Zweitens müssen wir die Dekarbonisierung stark CO2-lastiger Sektoren wie Schwerindustrie, Schifffahrt und Luftfahrt vorantreiben. Sie verursachen fast ein Drittel der weltweiten Emissionen und brauchen dringend eine wirtschaftliche, kohlenstoffarme Alternative.

Drittens müssen wir mehr Anpassungsfinanzierungen anbieten und Anpassungsaspekte weltweit in alle Infrastrukturprojekte einbeziehen. Wir brauchen Schienennetze, Krankenhäuser und andere Infrastrukturen, die häufigeren Wetterextremen standhalten können.

Die Europäische Investitionsbank trägt ihren Teil dazu bei: In diesem Jahrzehnt mobilisiert sie über 1 Billion US-Dollar für eine nachhaltigere Wirtschaft und den Übergang zur Kohlenstoffneutralität. Wir investieren seit vielen Jahren massiv in saubere Energien, und wir unterstützen Clean-Tech-Innovationen. Manche mögen der Unterstützung von Innovationen durch eine öffentliche Institution skeptisch gegenüberstehen. Aber wir haben bereits vor zwanzig Jahren Offshore-Windkraft finanziert, als Geschäftsbanken sich noch sträubten. Heute tun wir dasselbe mit schwimmenden Offshore-Windparks, Batteriespeichern und grünem Wasserstoff.

Wir werden noch mehr Geld in diese Bereiche stecken und massiv innovative Projekte unterstützen, die bei der Bewältigung der künftigen Herausforderungen helfen.

Bis 2025 werden wir unsere weltweiten Anpassungsfinanzierungen verdreifachen. Schon heute prüfen wir alle von uns finanzierten Projekte auf Klimarisiken und stellen sicher, dass sie an künftige Veränderungen angepasst sind.

Doch allein mit öffentlichen Mitteln – so umfangreich sie auch sein mögen – ist der Übergang zu einer klimaneutralen und klimaresilienten Zukunft nicht zu finanzieren. Dafür brauchen wir den Privatsektor.

Wir müssen dafür sorgen, dass Arbeitnehmenden und Gesellschaften der Übergang in eine CO2-neutrale Wirtschaft gelingt. Die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Gemeinschaften benötigen unsere Hilfe. Der Übergang muss gerecht und fair sein, sonst wird er scheitern.

Ich bin zuversichtlich, dass der Angriff Russlands auf die Ukraine – trotz des durch ihn verursachten Leides und seiner Auswirkungen auf Energie-, Lebensmittel- und Rohstoffpreise – uns im Kampf gegen den Klimawandel ein großes Stück weiterbringen wird.

Für die heutige Veranstaltung wünsche ich Ihnen konstruktive Gespräche.

  Video