Millionen Menschen in Äthiopien bezahlen per Handy mit M-Birr und sind damit den meisten Europäern technisch voraus.

Amadi lehnt an der Lehmwand ihres Hauses und erinnert sich an die Zeiten, als sie noch stundenlang in der sengenden Sonne Schlange stand, um ihre Sozialleistungen abzuholen. Oft war am Ende gar kein Geld mehr da. Dann musste die alte Frau mit leeren Händen den beschwerlichen Rückweg in ihr abgelegenes Dorf antreten und anderntags die Strapazen erneut auf sich nehmen. „Es gab viele Scherereien deshalb. Das war sehr hart“, sagt sie. „Aber heute ist es viel besser.“

Amadi zählt zu den zwei Millionen Äthiopiern, die von M-Birr profitieren – einem mobilen Zahlungssystem, das nach der Landeswährung Birr benannt ist. Jetzt kann der Staat das Geld jeden Monat direkt auf ihr mobiles M-Birr-Konto bei dem Mikrofinanzinstitut in der Region überweisen. Amadi muss nicht mehr kilometerweit marschieren, um ihr Geld abzuholen, sondern kann einfach bei einem Laden in der Nähe etwas abheben. „Man respektiert mich, und ich bekomme mein Geld“, berichtet sie.

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Amadi vor ihrem Haus

M-Birr will die äthiopische Speerspitze einer Entwicklung sein, die es immer mehr einfachen Afrikanerinnen und Afrikanern ermöglicht, ihre Bankgeschäfte mobil zu erledigen. In Kenia fließen schon über 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch das mobile Zahlungssystem M-PESA. Insgesamt hat sich Mobile Banking aber erst in wenigen afrikanischen Ländern durchgesetzt. Zum großen Teil wird noch bar bezahlt. Die Logistik ist aber in Afrika bekanntlich oft ein Problem. Ein mobiles System ermöglicht es, Geld einfach und sicher von hier nach dort zu schicken. „Es hat sich gezeigt, dass mobile Zahlungssysteme wirksam helfen, den Zugang auch armer Menschen zu Finanzdienstleistungen zu verbessern“, bestätigt Hannah Siedek, Mikrofinanzexpertin bei der Europäischen Investitionsbank.

Geld für besonders wirkungsvolle Projekte

Die EIB unterstützt die Expansion von M-Birr mit einer Kapitalbeteiligung von drei Millionen Euro – möglicherweise kommt später eine weitere Million dazu. Das Geld stammt aus dem Sonderrahmen für besonders entwicklungswirksame Projekte – 800 Millionen Euro für Finanzierungen in Afrika, in der Karibik und im Pazifik, bei denen die Bank höhere Risiken eingehen kann als bei ihren üblichen Projekten. Damit beteiligt sich die EIB erstmals an der Finanzierung mobiler Finanztechnologie in Afrika, über eine Ko-Investition mit der DEG, einer Tochtergesellschaft der KfW.

Vor der breiten Einführung im Jahr 2015 testete M-Birr sein mobiles Zahlungssystem ein Jahr lang mit fünf örtlichen Mikrofinanzinstituten. Diese bieten die M-Birr-Leistungen an mehr als 7 000 Standorten in ganz Äthiopien an, beispielsweise bei ihren M-Birr-Filialen und -Partnern in Läden, Apotheken oder Tankstellen. Das von einem Franzosen und einem Iren gegründete Unternehmen wickelt mittlerweile die Zahlung von Sozialleistungen an über 750 000 Haushalte mit rund drei Millionen Empfängern ab und wird außerdem von weiteren 280 000 Kunden für mobile Zahlungen genutzt. Das ist ein großer Schritt für ein Land, in dem nur jeder Fünfte ein Bankkonto, aber immerhin die Hälfte der Erwachsenen ein Mobiltelefon hat. „Wir tragen viel zu mehr sozialer Teilhabe bei“, sagt Thierry Artaud, einer der Leiter von M-Birr. „Durch das Engagement der EIB können wir das Geschäft ausbauen und dem Land zu mehr Wachstum verhelfen.“

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Eine M-Birr-Filiale in einem äthiopischen Dorf

Gut für die Dorfgemeinschaft

Ladenbesitzer Bakala ist M-Birr-Partner des örtlichen Mikrofinanzinstituts. Von den 125 Haushalten in seinem Dorf erhalten alle bis auf drei Sozialleistungen vom Staat. Weil das Geld mit M-Birr pünktlich und regelmäßig eingeht, können die Empfänger ihre Ausgaben viel besser planen als früher. Das ist auch gut für Bakalas Geschäft. Weil jetzt so viele Kunden kommen, will er einen Kredit aufnehmen, damit er eine Maismühle kaufen und ein Restaurant eröffnen kann, in dem er mehrere Mitarbeiter beschäftigen wird.

Aber das ist nicht der einzige Grund, warum er M-Birr gut findet. „M-Birr ist gut für unsere Dorfgemeinschaft“, sagt er. „Ich tue etwas für mein Dorf. Das mobile Angebot hat viel bei uns bewirkt.“

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Bakala in seinem Laden

„Es gefällt mir besser so.“

Draußen vor dem Laden zieht eine alte Frau ein Mobiltelefon aus einem Beutel, den sie um den Hals trägt. Ihr Name ist Mareh. Die meisten M-Birr-Nutzer kaufen sich für ein paar Dollar ein Handy, aber wer sich auch das nicht leisten kann, bekommt eine Rubbelkarte mit einer PIN, gibt die Nummer direkt beim M-Birr-Partner in ein Gerät ein und erhält dann sein Geld. Mareh gestikuliert begeistert mit ihrem Telefon, als sie aufzählt, was sich mit M-Birr in ihrem Leben alles verbessert hat.

Wie Amadi kam sie früher erschöpft von den langen Fußmärschen zu den Auszahlungsstellen, wo sie dann oftmals doch kein Geld bekam. „Es fällt mir nicht so leicht mit dem Telefon, aber Bakala hilft mir, und mit M-Birr bekomme ich mein Geld“ sagt sie. „Es gefällt mir besser so.“

Mit Unterstützung der EIB will M-Birr nun in andere Wirtschaftssektoren in Äthiopien expandieren und seine Leistungen kleinen Unternehmen anbieten, für die es teuer oder gefährlich sein kann, mit ihren Bareinnahmen des Tages unterwegs zu sein. Außerdem will das Unternehmen die Mikrofinanzinstitute, die M-Birr anbieten, beim Aufbau weiterer Standorte unterstützen.

In einem Land so groß wie Frankreich und Spanien zusammen ist ein möglichst flächendeckendes Netz unbedingt notwendig. „M-Birr und seine Partner erschließen Äthiopien eine neue Welt des mobilen Geldverkehrs, der das tägliche Leben der Nutzer grundlegend verändern wird“, meint Benoit Denis, Volkswirt in der Abteilung Digitale Wirtschaft der EIB. „Das Unternehmen deckt einen Bedarf. Es will den Zugang zu mobilem Geld auf alle Wirtschaftssektoren ausweiten. Und dabei wollen wir ihm helfen.“

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Mit M-Birr kommt Mobile Banking in entlegene Dörfer.