Der Sustainable Ocean Fund zeigt Fischern, wie sie vom Meer leben können, ohne es leerzufischen.

Stellen Sie sich vor, Italien hat keinen Parmesankäse mehr. Oder in Frankreich sind alle Trauben weg, sodass es keinen Wein mehr gibt.

Etwas ähnlich Schlimmes ist vor fünf Jahren in El Manglito passiert. Dem 550-Seelen-Ort im Nordwesten Mexikos ging die Steckmuschel aus. Die Fanggründe waren leergefischt. Mit dem delikaten Schalentier hatten die Menschen im Ort bis dahin ihren Lebensunterhalt verdient. Ohne die Muscheln sah es düster aus.

„Kriminalität und Drogensucht machten sich breit“, erzählt Scott Ferguson, Projektleiter bei der Nichtregierungsorganisation Noroeste Sustentable, die mexikanischen Gemeinden hilft, sich eine nachhaltige Lebensgrundlage zu schaffen. „Die Leute hier sahen keine Zukunft mehr.“

Heute haben die Menschen von El Manglito wieder Hoffnung. Mit ihrer Geschichte sind sie ein Vorbild für andere Fischerdörfer in Entwicklungsländern.

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© Noroeste Sustentable

Verarbeitung von Steckmuscheln im mexikanischen El Manglito. Vor rund fünf Jahren war die beliebte Muschel hier fast verschwunden, weil die Fanggründe praktisch leergefischt waren.

Ein Testfall für den Kampf gegen Überfischung

Die Europäische Investitionsbank und Althelia, eine auf Umweltfinanzierungen spezialisierte Investmentgesellschaft, wählten El Manglito als Testfall für einen neuen Fonds aus, der in Not geratenen Fischereigemeinden hilft.

Über die letzten zwei Jahre hat Althelia Investoren für den Sustainable Ocean Fund gewonnen. Der Fonds will beweisen, dass nachhaltige Fischerei kleinen Gemeinschaften ein gutes Auskommen sichern kann. Der Gewinn im Fischereisektor könnte um 115 Prozent auf 51 Milliarden US-Dollar steigen, wenn nachhaltig gewirtschaftet würde. Das zeigen verschiedene Studien.

Kommerzielle Banken halten sich in der Branche zurück. Zu viele Risiken – schrumpfende Fischbestände, sinkende Einnahmen etc. Der Einstieg der EIB als Ankerinvestor sollte den privaten Banken mehr Sicherheit geben und sie dazu bewegen, sich an diesem und an anderen Meeresfonds zu beteiligen.

Mit ihren Fondsbeteiligungen gelingt es der EIB oftmals, private Geldgeber für Projekte zu gewinnen. Ein Beispiel ist die Investition der Bank von über einer Milliarde Euro in Klimafonds. Insgesamt kam für diese Fonds ein Kapital von mehr als acht Milliarden Euro zusammen, die Klimaprojekte im Umfang von mehr als 30 Milliarden Euro möglich machten.

Die EIB beteiligt sich mit rund 17 Millionen Euro am Althelia Ocean Fund. Insgesamt will der Fonds 85 Millionen Euro für Investitionen in El Manglito und für 15 bis 20 weitere Meeresprojekte in Lateinamerika, Afrika und Asien aufbringen.

„Das Problem der Überfischung ist aus dem Blickfeld geraten“, sagt Jane Feehan, die sich bei der EIB mit Klimafinanzierungen befasst. „Es wird Zeit, dass wir da weltweit mehr tun.“

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© Noroeste Sustentable

Fischer in El Manglito vor der Ausfahrt aufs Meer.

Bessere Methoden und weniger verdorbene Ware

Der Fonds hilft den Fischereigemeinden auf verschiedene Weise:

  • bessere Methoden
  • hochwertigere Kühlung
  • bessere Verarbeitung
  • bessere Boote
  • weniger Abfall und weniger verdorbene Ware (weltweit sind über die letzten 30 Jahre durch Misswirtschaft in der Fischerei geschätzte Verluste von über zwei Billionen US-Dollar entstanden)

„Der Reiz der Fischerei liegt darin, dass es im Gegensatz zu Waldprojekten bereits ein funktionierendes Geschäft gibt“, sagt Simon Dent, der bei Althelia für das Management des Sustainable Ocean Fund zuständig ist. „Wir setzen uns dafür ein, dass es noch besser funktioniert. Und wir stärken Fischereigenossenschaften, damit sie die Bestände schützen.“

Die Hochseefischerei ist für viele Regionen und Menschen sehr wichtig:

  • Für mehr als eine Milliarde Menschen ist Fisch die wichtigste Proteinquelle
  • Die Fischereibranche erwirtschaftet weltweit rund 260 Milliarden US-Dollar pro Jahr
  • Mehr als 350 Millionen Arbeitsplätze in der Fischerei und in anderen Branchen hängen vom Meer ab
  • 90 Prozent der Menschen, deren Lebensunterhalt von der Fischerei abhängt, leben in Entwicklungsländern
  • Mehr als 85 Prozent der weltweiten Fischereigebiete müssten streng bewirtschaftet werden, damit sich die Bestände erholen

„Wir müssen dringend handeln, damit sich der Zustand der Weltmeere nicht weiter verschlechtert“, mahnt Scott Ferguson von Noroeste. „Die Lage ist schlimm!“

Die EIB will als einer der ersten Investoren des Sustainable Ocean Fund Pionierarbeit zum Schutz der Meere auf wirtschaftlich tragfähige Weise leisten.

„Wenn wir nicht mehr für den Schutz der Weltmeere tun, kommen viele neue Umweltprobleme auf uns zu“, sagt Martin Berg von der EIB. Er war als Anlagespezialist in El Manglito, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. „Eines der Hauptprobleme in vielen Regionen der Welt ist die Überfischung. Wir suchen deshalb nach Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken, damit sich die Bestände wieder erholen.“

El Manglitos steiniger Weg

Als es in El Manglito immer weniger Muscheln gab, wagten sich die Anwohner weiter hinaus in verbotene Zonen, draußen im Golf von Kalifornien. Manche fischten auch bei Nacht mit Speeren oder in Schutzzonen, nur um ein Auskommen zu haben. Andere griffen zu Drogen oder wurden kriminell, um zu überleben. Oft gingen die Leute wegen Streitereien um die Fischerei aufeinander los, statt an einem Strang zu ziehen. In den Straßen türmte sich der Müll.

„Die Fischer behandelten die Bucht wie einen Selbstbedienungsladen, bis nichts mehr da war“, erzählt Ferguson.

2012 war ihre Lage schließlich so verzweifelt, dass die Menschen in El Manglito begannen, mit Noroeste zusammenzuarbeiten. Die Mitarbeiter von Noroeste zeigten ihnen, was sie ändern konnten.

„Das Ergebnis war ein wahres Wunder“, so Ferguson. „Der Bestand erholte sich – von beinahe null auf heute über vier Millionen Schalentiere.“

Für eine bessere Zukunft

Mithilfe von Noroeste organisierten die Anwohner eine Küstenwache und setzten ein striktes Fangverbot durch. Noroeste zahlte den Fischern ein Mindesteinkommen, sodass sie ohne die Muschelfischerei über die Runden kamen. Die Gemeinde gründete das Unternehmen Achamar, das für eine modernere Verarbeitung, Verpackung und Vermarktung und einen professionelleren Vertrieb von Steckmuschelprodukten sorgen sollte, sobald es mit der Fischerei wieder losgehen konnte.

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© Noroeste Sustentable

Ortstypisches Steckmuschelgericht in El Manglito, Mexiko.

In El Manglito ist die Gefahr der Überfischung heute gebannt. Der Bestand in der Region dürfte bis 2020 auf etwa 60 Millionen Steckmuscheln steigen. Das ist fast ein nachhaltiges Niveau.

Nun müssen wir dafür sorgen, dass das Modell überall auf der Welt Schule macht. „Der Sustainable Ocean Fund ist spannend, weil er weltweit aktiv ist“, findet Ferguson. „Es ist natürlich wunderbar, 500 bis 600 Menschen in einem Dorf zu helfen, aber wir wollen das überall auf der Welt schaffen.“